Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
2019: Kaum jemand möchte noch Olympische Winterspiele. Das liegt auch an einem harten Gegner aus der Schweiz.
2018: Seit den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 zeigt sich die fehlende Sinnhaftigkeit von solchen Sportgrossveranstaltungen im Alpenraum. Stefan Grass, Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden, der seit 18 Jahren die Kandidaturen für Olympische Winterspiele in Graubünden für 2010, 2014, 2022 und 2026 erfolgreich bekämpfte, zieht Bilanz.
2018: Stefan Grass hat die Kandidatur für Olympische Spiele in Graubünden gebodigt. Jetzt soll er Sion 2026 verhindern.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
03.03.2013
Die Graubündner Bevölkerung lehnte am 3.3.2013 mit fast 53 Prozent die Kandidatur 2022 ab. Die geplanten Austragungsorte Davos und St. Moritz stimmten mit “Ja”. Wem die 53 Prozent Gegnerstimmen wenig vorkommen, kurz eine Lageschilderung (NOlympia.de).
Es blieb den Gegnern aufgrund der übermächtigen Situation der Befürworter nur übrig, sich auf die Situation David gegen Goliath einzulassen und auf die völlig ungeklärte finanzielle Situation und die nebulöse endgültige Bewerbung selbst hinzuweisen. Die Gegner hatten ein offengelegtes Budget von rund 76.000 Franken; die Befürworter ein Budget von offiziell 5,6 Millionen Franken, abgesehen von weiteren Geldern der Wirtschaft und verdeckten Staatsleistungen. Die Materialschlacht war zu erwarten gewesen. Die Befürworter organisierten 150 Veranstaltungen im Kanton, die Gegner eine. Der mächtige Ringier-Verlag stand hinter der Bewerbung. Der Schweizer Bundespräsident (und Sportminister) Ueli Maurer besuchte mindestens zehn Mal den Kanton Graubünden und gewährte im Alleingang die vom IOC geforderte unbegrenzte Defizit-Garantie; der Bundesrat unterstützte nachträglich den IOC-Lobbyisten Maurer.
Wer naiv für die Befragung der Bevölkerung in Sachen Olympia-Kandidatur (zum Beispiel München 2022) als “demokratisch” eintritt, sollte sich die tatsächlichen Machtverhältnisse vor Augen führen.
Pressemitteilung vom Netzwerk Nolympia, Sonntag, 3.3.2013:
Einmal wieder denken die Bürger langfristiger als ihre politischen Vertreter.
Heute, am Sonntag den 3.3.13, haben die Bürger des Kantons Graubünden in der Schweiz entschieden: Olympische Spiele 2022 nicht mit uns! Wir können ihnen zu dieser Entscheidung nur von ganzem Herzen gratulieren. Denn erneut wurde mit dieser Entscheidung vorgeführt, was inzwischen schon keinen mehr überrascht : Die zwangsbeglückten Einwohner der auserkorenen Olympiastätten denken sowohl ökologisch als auch finanziell nachhaltiger als ihre politischen Vertreter. Nach dem NEIN in der Schweiz wird klar: Mit den geltenden Reglementen und Vertragsbedingungen des IOC (International Olympic Committee) ist es nicht mehr zu verantworten, Olympische Winterspiele in den Alpen durchzuführen.
Ludwig Hartmann, grüner MdL aus Bayern und einer der Sprecher des Bündnisses NOlympia zeigt sich angesichts des Abstimmungsergebnisses erfreut: “Ich beglückwünsche die Graubündner zu ihrer weitsichtigen Entscheidung. Eine gut zweiwöchige Party für Sportfunktionäre und Spitzensportler rechtfertigt weder die vom IOC aufgezwungenen finanziellen Lasten, noch die massiven Eingriffe in die sensible Alpenlandschaft.
Gestern wurde diesem Umweltvandalismus in den Schweizer Alpen eine klare Absage erteilt. Die Bürgerinnen und Bürger haben durchschaut, welche Lasten Olympische Winterspiele bringen. Bleibt zu hoffen, dass München nach dem Ausscheiden der Schweiz als möglichem Austragungsort jetzt nicht in einen neuen Bewerbungswahn für die Winterspiele 2022 verfällt.
Insbesondere in Zeiten des Klimawandels sind Olympische Winterspiele in ihrer heutigen Dimension, die alle vier Jahre in einem neuen Gebirgsort riesige Eingriffe erfordern, ein Anachronismus. Bevor das IOC nicht grundlegende Reformen seiner Vertragsgestaltung und Ausrichtungsmodalitäten vornimmt, sollte jedes Land eine Bewerbung nicht nur genauestens überdenken – sondern gleich bleiben lassen.“
Die Frage nach ”kleinen Spielen” mit möglichst geringen finanziellen und ökologischen Folgen für die Region interessiert das IOC überhaupt nicht. Der Aspekt der Nachhaltigkeit einer Bewerbung hatte noch nie einen Einfluss auf dessen Entscheidung. Nicht ein einziges Mal konnte eine Bewerbung damit punkten, dass sie Kosten- und Umweltrisiken gering hält. Im Gegenteil: Der Gigantismus kennt keine Grenzen, die Kosten steigen, die Ausbauten geraten ins Uferlose. Das zeigt sich aktuell an den Austragungsorten in Sotschi 2014 (gegen Salzburg) und Pyeongchang 2018 (gegen München). Ein weiterer Grund, vor einer erneuten Bewerbung Münchens zu warnen.
Axel Doering, Initiator des Bürgerbegehrens gegen eine Olympia-Bewerbung 2011 in Garmisch findet eindringliche Worte: “Langsam sollte auch das IOC begreifen, dass eine Beibehaltung seiner bisherigen, intransparenten Strukturen nicht mehr mit dem Willen der Bevölkerung vereinbar ist. Wenn sogar eine Bewerbung in der Schweiz – dem Land, in dem das IOC seinen Sitz hat – daran scheitert, dass die betroffene Bevölkerung vor Ort sich nicht auf die Knebelveträge mit dem IOC einlassen will, sollte auch diese Organisation ins Grübeln kommen.”