Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
2019: Kaum jemand möchte noch Olympische Winterspiele. Das liegt auch an einem harten Gegner aus der Schweiz.
2018: Seit den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 zeigt sich die fehlende Sinnhaftigkeit von solchen Sportgrossveranstaltungen im Alpenraum. Stefan Grass, Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden, der seit 18 Jahren die Kandidaturen für Olympische Winterspiele in Graubünden für 2010, 2014, 2022 und 2026 erfolgreich bekämpfte, zieht Bilanz.
2018: Stefan Grass hat die Kandidatur für Olympische Spiele in Graubünden gebodigt. Jetzt soll er Sion 2026 verhindern.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
04.07.2019
Zwanzig Jahre nach den Spielen 2006 in Turin kehren die Olympischen Winterspiele 2026 in die italienischen Alpen zurück. In den Austragungsorten ist der Jubel gross und die Erwartungen sind hoch. Doch der Blick auf vergangene Spiele mahnt zur Vorsicht, denn allzu oft haben sie Schulden und Bauruinen hinterlassen. (CIPRA International)
Nachdem im Vorfeld die Alpenstädte Sion, Graz und Innsbruck sowie das japanische Sapporo und das kanadische Calgary ihre Kandidaturen zurückgezogen hatten, vergab das Internationale Olympische Komitee (IOC) die 25. Olympischen Winterspiele an Mailand und Cortina. Das Tandem setzte sich gegen Stockholm und Åre durch, deren Bewerbung nicht wirklich überzeugte und von der schwedischen Regierung nur halbherzig unterstützt worden war. In Italien ist die Begeisterung bei Politikern und in den Medien grenzenlos. Doch ist der Jubel wirklich berechtigt? Oder gibt es auch Grund zur Sorge?
Laut Bewerbungsdossier sollen die Spiele auf mehrere Orte verteilt und viele bestehende Anlagen genutzt werden. Die Erfahrung von Turin 2006, vor allem, wenn man sich die Gesamtkosten und die verlassenen Bobbahnen, Skisprungschanzen oder Biathlonanlagen Sportstätten in den Bergdörfern anschaue, sollte den Veranstaltern und der Politik eigentlich eine Lehre sein, sagt Francesco Pastorelli, Geschäftsführer von CIPRA Italien. «Eine grosse Stadt wie Mailand mag in der Lage sein, ein solches Grossereignis zu verkraften und sogar davon zu profitieren. Auf die betroffenen Berggebiete ‒ Valtellina und Dolomiten ‒ trifft das hingegen nicht zu.»
In der Form, wie sie heute vom IOC konzipiert sind, eignen sich diese Grossereignisse nicht für die Berggebiete, wie CIPRA in ihrer Position «Olympiafreie Alpen» stets betont hat. «Es gibt keine einzige Studie, die ernsthaft belegt, dass die Spiele langfristig und positiv zur Wirtschaftsentwicklung in einer Alpenregion beigetragen hätten», wie Pastorelli betont. Ganz Gegenteil zeige die Erfahrung, dass die ökonomischen Effekte von Olympischen Spielen – wenn überhaupt ‒ nur von kurzer Dauer sind.
Kurz nach dem Zuschlag für Mailand und Cortina stiegen die Aktien von Unternehmen der Immobilien- und Baubranche an der Mailänder Börse. Die Sorge, dass die Spiele als Vorwand benutzt werden, um neue Skigebietsverbindungen und Verkehrsinfrastrukturen zu bauen, ist also mehr als berechtigt.