Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
2019: Kaum jemand möchte noch Olympische Winterspiele. Das liegt auch an einem harten Gegner aus der Schweiz.
2018: Seit den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 zeigt sich die fehlende Sinnhaftigkeit von solchen Sportgrossveranstaltungen im Alpenraum. Stefan Grass, Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden, der seit 18 Jahren die Kandidaturen für Olympische Winterspiele in Graubünden für 2010, 2014, 2022 und 2026 erfolgreich bekämpfte, zieht Bilanz.
2018: Stefan Grass hat die Kandidatur für Olympische Spiele in Graubünden gebodigt. Jetzt soll er Sion 2026 verhindern.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
06.02.2017
Mehrere Orte in den Alpen bemühen sich um die Olympischen Winterspiele 2026. Sie berufen sich auf die «Agenda 2020», die vom Internationalen Olympischen Komitee als Reaktion auf die reihenweise Ablehnung von Bewerbungen für 2022 formuliert wurde. Die Agenda verspricht zwar viel, hält aber wenig. Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA bleibt bei ihrer Position «Olympiafreie Alpen!». (MM CIPRA)
Knapp vier Jahre nach der Ablehnung befinden die Stimmberechtigten des Kantons Graubünden, Schweiz, am 12. Februar 2017 erneut über eine Olympia-Kandidatur, diesmal für 2026. Die Westschweizer Kantone Bern, Freiburg, Waadt und Wallis bemühen sich ohne vorgängige Volksabstimmung gemeinsam um eine Kandidatur. In Österreich prüft Innsbruck eine länderübergreifende Kandidatur der Regionen Tirol, Südtirol und Trentino und führt bis Mai eine Machbarkeitsstudie durch. Begründet werden die erneuten Anläufe zum einen mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Berggebiete, die keine Alternative böte, zum anderen mit den Reformbemühungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Doch die «Agenda 2020» ist alter Wein in neuen Schläuchen. Die 40 Empfehlungen sind unverbindlich und dienen einzig dazu, die westlichen Länder wieder ins Boot zu holen, wie Barbara Wülser, Stellvertretende Geschäftsführerin der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA, festhält. «Fliessen Geld und Engagement der Alpenregionen in das Strohfeuer Olympischer Winterspiele, steht es nicht für identitätsstiftende, zukunftsweisende Projekte zur Verfügung.»
Demokratische Grundwerte bleiben aussen vor
In den Empfehlungen 4 und 5 der «Agenda 2020» wird das Wort Nachhaltigkeit zehn Mal erwähnt. Der Gastgeber der Olympischen Spiele soll eine Nachhaltigkeitsstrategie ausarbeiten und Nachhaltigkeitsmassnahmen umsetzen. Wie genau diese Massnahmen aussehen, welche Standards eingehalten werden müssen und was eine Strategie beinhaltet, bleibt offen. Die Empfehlungen sind sehr allgemein formuliert: Die Transparenz soll erhöht, ethisches Verhalten gestärkt und die Kosten sollen gesenkt werden. Der Interpretationsspielraum bleibt gross. Grundlegende Änderungen der IOC-Strukturen und -Regelwerke sowie die Garantie von demokratischen Grundwerten in den Austragungsländern werden nicht diskutiert.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass die Bergregionen nur verlieren können mit diesem umweltzerstörerischen und ruinösen Grossanlass. Allenfalls profitieren einzelne Exponenten kurzfristig von einem Investitionsschub. Die Bevölkerung, die in letzter Konsequenz zur Kasse gebeten wird, bezahlt die Zeche. Die Kostenüberschreitungen waren in der Vergangenheit massiv. So war es in Italien nach Turin 2004, so war es in Kanada nach Vancouver 2010, nachzulesen in den Erfahrungsberichten auf der CIPRA-Website.
Auf reichhaltiges Kultur- und Naturerbe setzen
Die Alpen sind reich an Natur- und Kulturlandschaften, an kulturellen Identitäten und Angeboten, an Traditionen, an engagierten Menschen mit Weitblick. Gemeinsam können diese die Zukunft eigenverantwortlich gestalten, indem sie neue wirtschaftliche Perspektiven entwickeln, die die kulturellen und sozialen Ressourcen respektieren und in Wert setzen.
«Olympische Winterspiele behindern eine solche Entwicklung», betont Barbara Wülser. Sie geben vor innovativ zu sein, verkörpern indes mehr vom Gleichen, indem sie an alten Rezepten festhalten. Sie behaupten mutig zu sein, zeugen jedoch von Resignation und üben Zwang aus mit dem Argument, es gebe keinen anderen Ausweg. Christian Baumgartner, Vize-Präsident von CIPRA International, bringt das Anliegen des Dachverbands von über 100 Organisationen und Institutionen in den Alpen auf den Punkt: «Erst wenn das IOC seine Regelwerke und Strukturen von Grund auf überarbeitet, demokratische Grundwerte in den Ausführungsländern garantiert und die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung bei der Planung und Durchführung von Olympischen Winterspielen berücksichtigt, kann in den Alpen über eine Neu-Auflage diskutiert werden.»
Rückfragen sind zu richten an:
Christian Baumgartner, Vize-Präsident CIPRA International
+43 664 381 21 43, christian.baumgartner@cipra.org
Barbara Wülser, Stellvertretende Geschäftsführerin CIPRA International
+423 237 53 11, barbara.wuelser@cipra.org