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Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden

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Olympia quo vadis

Olympische Spiele - ein Auslaufmodell?

2019: Kaum jemand möchte noch Olympische Winterspiele. Das liegt auch an einem harten Gegner aus der Schweiz.

Stefan Grass im doppelpunkt

Olympia ist ein Auslaufmodell

2018: Seit den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 zeigt sich die fehlende Sinnhaftigkeit von solchen Sportgrossveranstaltungen im Alpenraum. Stefan Grass, Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden, der seit 18 Jahren die Kandidaturen für Olympische Winterspiele in Graubünden für 2010, 2014, 2022 und 2026 erfolgreich bekämpfte, zieht Bilanz.

Tages Anzeiger

Der Spieleverderber

2018: Stefan Grass hat die Kandidatur für Olympische Spiele in Graubünden gebodigt. Jetzt soll er Sion 2026 verhindern.

Olympische Winterspiele 2030 in der Schweiz? Bis dato fehlt ein öffentlicher Diskurs darüber, ob das wirklich wünschenswert ist

22.11.2023

Am Freitag wird das Sportparlament die Schweizer Olympiapläne in die nächste Phase schicken. Unterdessen wird das Grossprojekt auch von kritischen Stimmen begleitet. Weil es zentrale Fragen gibt, die noch nicht beantwortet sind. (NZZ)

Von Daniel Germann

Vor vier Wochen hat Swiss Olympic eine Machbarkeitsstudie zur Durchführung der Olympischen Winterspiele 2030 oder 2034 in der Schweiz präsentiert. Die Konklusion des knapp 60 Seiten umfassenden Berichts lautet, frei nach dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama: «Yes we can.»

In der Zusammenfassung kommen die Studienleiter zu dem Fazit: «Die Schweiz hat das Potenzial und das Wissen, um zum ersten (para-)olympischen ‹Host Country› der Geschichte zu werden und Olympische und Paraolympische Winterspiele zu organisieren, welche die Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft in der Schweiz über den Sport hinaus fördern.»

Zu welchem Schluss hätte das Papier sonst auch kommen sollen? Auftraggeber waren der Dachverband Swiss Olympic und die ihm angeschlossenen Wintersportverbände, die alle ein Interesse an Olympischen Spielen in der Schweiz haben müssen. Es ist ihr statutarischer Auftrag, den nationalen Sport zu fördern.

Die Studie suggeriert, dass diesmal auch die Bevölkerung mitziehe

Die Machbarkeitsstudie ist ein Argumentarium, das einer genaueren Prüfung jedoch nur bedingt standhält. Zu schnell musste sie fertig sein, zu absehbar war das Resultat, das angestrebt worden ist. Bereits hat das Internationale Olympische Komitee (IOK) bemängelt, ihm fehlten verlässliche Aussagen zu den klimatischen Auswirkungen des Projekts. Eine detaillierte inhaltliche Diskussion über das Papier hat es bisher nicht gegeben.

Es steht ausser Frage, dass die Schweiz imstande ist, Olympische Winterspiele zu organisieren. Doch die Erfahrung lehrt: Nicht alles, was machbar ist, ist auch wünschenswert. Die vergangenen Schweizer Olympia-Pläne seit der legendären Sittener Bewerbung für die Spiele 2006 sind alle nicht an der Machbarkeit, sondern am Willen der Bevölkerung gescheitert, einen solchen Mammutanlass finanziell mitzutragen.

Die Studie suggeriert, dass diesmal auch die Bevölkerung mitziehe. 67 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sollen gemäss der repräsentativen Befragung von 1020 Personen hinter den jüngsten Olympia-Plänen stehen. Ein etwas näherer Blick zeichnet ein differenzierteres Bild. Nur 27 Prozent antworteten auf die Frage, ob sie für die Durchführung Olympischer Winterspiele in der Schweiz seien, mit «bestimmt dafür», 40 Prozent mit «eher dafür».

Setzt der politische Diskurs ein, kann aus der breiten Zustimmung ohne weiteres eine ebenso breite Ablehnung werden. Zu vieles scheint im Moment unklar, wie etwa die Frage nach den Sicherheitskosten, die in der Studie mit 82 Millionen Franken veranschlagt sind und angesichts der weltpolitischen Lage mit den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen praktisch täglich an Bedeutung gewinnen. Die Studie schreibt zu diesem Thema: Die entsprechenden Voraussetzungen seien gegeben, das habe der Vorstand der Kantonalen Justizdirektorenkonferenz an ihrer Sitzung vom 14. September bestätigt.

Dass hier Bedarf zur tieferen Prüfung besteht, verdeutlichen die Aussagen von Jörg Schild. Der ehemalige Präsident von Swiss Olympic, der von 1998 bis 2004 als Basler Regierungsrat Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren war, sagt der NZZ: «Der eingeschlagene Weg ist der richtige. Und doch gibt es ein Aber. Die dezentrale Durchführung mit 13 Austragungsstätten raubt den Spielen ihren ursprünglichen Gedanken als Fest der Jugend. Es fänden so einfach 13 Weltmeisterschaften an verschiedenen Orten in einem Land statt.» Zwölf Austragungsorte sind bereits festgelegt, der dreizehnte Schauplatz, jener für das Eisschnelllaufen, muss noch bestimmt werden.

Auch bezüglich der Sicherheitsdispositive hat Schild seine Fragezeichen. Er will sich aber zum Budgetrahmen nicht äussern, weil er mittlerweile zu weit davon weg sei. Trotzdem hat Schild Zweifel, dass die Schweizer Polizeikorps eine solche Veranstaltung ohne Unterstützung aus dem Ausland stemmen könnten. «Die Sicherheitsfrage mit den Kosten ist sicher ein Knackpunkt. Und steigen sie, ist der Weg zu einem Finanzreferendum in einem der Kantone nicht weit. Wohin eine solche Volksabstimmung führt, wissen wir aus der Vergangenheit.»

Skeptisch ist aber nicht nur Jörg Schild, sondern auch der Professor Jürg Stettler, der das Institut für Tourismus und Mobilität an der Hochschule in Luzern leitet und sich beruflich mit Fragen der Nachhaltigkeit und mit dem Vermächtnis von Grossanlässen auseinandersetzt. Er sagt, ihm stellten sich zwei grundsätzliche Fragen: «Anlässe dieser Grössenordnung haben den Anspruch, ein Vermächtnis zu hinterlassen. In Bezug auf das Projekt 2030 ist das weder realistisch noch greifbar. Dazu finde ich es irritierend, dass der ganze Prozess offensichtlich durchgezogen werden soll, ohne die Bevölkerung einzubinden.» Das Ganze hinterlasse den Eindruck einer privaten Veranstaltung.

Dazu stellt Stettler Fragen zur Machbarkeitsstudie, die er verkürzt als eine «Schönschreibe» bezeichnet. Es gebe viele Punkte, von denen man wisse, dass sie nicht ohne weiteres realisierbar seien. Er nennt als Beispiele die Legacy, das Konzept der Unterbringung oder die Bobbahn in St. Moritz. «Als Natureisbahn wird man diese nicht benützen können. Erfahrene Bobfahrer sagen, es sei nicht möglich, im Februar so viele Fahrten auf Natureis durchzuführen.»

Starke Konkurrenz aus Schweden – die dortige Regierung spielt bereits die Karte Volksabstimmung aus

Mittlerweile interessiert sich nicht nur die Schweiz für die Durchführung der Winterspiele, sondern auch Frankreich, die USA und Schweden. Die schwedische Kandidatur operiert mit drei Clustern in Stockholm, Åre und Falun und überzeugt mit diesem Konzept. Die schwedische Regierung spielt bereits die Karte Volksabstimmung aus, die in ihrem Land nicht vorgesehen sei.

Eine solche auch in der Schweiz zu verhindern, scheint einer der wichtigsten Punkte im Schweizer Projekt. Ein Urnengang wäre gemäss den Initianten nur bei einem kantonalen Finanzreferendum notwendig. Sie betonen immer wieder, dass die Spiele mit einem Budget von 1,5 Milliarden Franken und ohne öffentliche Beiträge auskämen. Gerade die Sicherheitskosten sind in diesem Zusammenhang ein Aspekt, der Fragen aufwirft.

Jürg Stahl, der Präsident von Swiss Olympic und ehemalige Nationalrat der SVP, kann nicht ausschliessen, dass es nicht in irgendeinem Kanton zu einem Finanzreferendum kommt, und ein solches würde den eng getakteten Zeitplan über den Haufen werfen. Vergangene Woche sagte Stahl in einem Mediengespräch, man werde jedoch einem solchen nicht um jeden Preis ausweichen.

Noch hat der eigentliche politische Prozess nicht eingesetzt, bis dato blieben kritische Wortmeldungen die Ausnahme. Der nächste Termin im Zeitplan ist ein Heimspiel: Am kommenden Freitag wird das Schweizer Sportparlament an seiner Sitzung in Ittigen bei Bern darüber entscheiden, ob es Swiss Olympic den Auftrag erteilen will, mit dem IOK in die nächste Prozessphase einzutreten, in den sogenannten «targeted dialogue».

Doch ein Sprecher des IOK sagte der NZZ, letztlich werde das IOK entscheiden, mit wem es diese zielgerichteten Diskussionen führen werde. Kürzlich fand ein Workshop statt, in dem das IOK den potenziellen Gastgebern die Rahmenbedingungen darlegte, die sie als Olympia-Gastgeber erwarten würden.

Das sind erste Signale dafür, dass die Position der potenziellen Bewerber nicht mehr ganz so stark ist, wie das vorübergehend schien. Von einem Freipass für die Schweiz kann keine Rede mehr sein. Die Vermutung liegt nahe, dass die olympischen Herren nun, da sie mehrere Interessenten für die Spiele 2030 haben, nicht mehr bereit sind, zu allem Hand zu bieten. Neben den Athleten sind sie vor allem ihren Sponsoren Rechenschaft schuldig, die nur wenig Interesse an Olympischen Spielen auf dem Bauernhof haben dürften. Sie suchen den Pomp von St. Moritz, nicht das Idyll Kanderstegs.

Doch die zentrale Frage bleibt: Will die Schweiz diese Spiele überhaupt? Und wie könnten das Land, seine Wirtschaft und auch der Sport von ihnen profitieren?

Seit der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie vor einem Monat begannen sich erste kritische Stimmen zu melden. Und die kamen überraschenderweise nicht aus der Politik, nicht etwa aus dem links-grünen Lager, sondern eher aus sportnahen Kreisen. Die Hauptkritik folgte der Argumentation von Jürg Stettler: Die Machbarkeitsstudie male ein viel zu positives Bild, der finanzielle Rahmen werde mit 1,5 Milliarden Franken und ohne öffentliche Gelder zu optimistisch bewertet. Acht der letzten zehn Grossanlässe in der Schweiz hätten defizitär geendet.

Die Fussball-Euro 2008 war «nachhaltig, aber nicht nachhaltig»

Im Schlussbericht zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen des letzten echten Grossanlasses in der Schweiz, der Fussball-Euro 2008, kam das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern zu einem vernichtenden Urteil: Es sei kein längerfristiger wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nutzen messbar. Der Nachfrageimpuls sei nur gering gewesen und relativ schnell verwischt. Die Studie gipfelt in dem bemerkenswerten Fazit: «Die Euro 2008 war nachhaltig, aber nicht nachhaltig.» Weil es zwar positive Effekte gab, diese aber gleich wieder relativiert wurden.

Stettler, der am Bericht beteiligt war, sagt, der markante Satz stamme aus der Feder seines Kollegen, des Co-Autors Hansruedi Müller. «Doch ich stimme mit ihm überein. Als Veranstaltung war die Euro geglückt, aber als Legat ist von ihr kaum etwas übrig geblieben. Der Sankt-Jakob-Park in Basel wurde aufgestockt. Doch das Fussballstadion in Zürich steht bis heute nicht. Lediglich der Schweizer Fussball erhielt durch das Turnier einen Schub.»

Noch ist der Widerstand gegen die Winterspiele 2030 in der Schweiz moderat. Es ist mehr verhaltene Skepsis als offene Opposition zu spüren. Kritisch äusserten sich jüngst vor allem Lobbyisten aus dem Sommersport. Ihre Motivation liegt auf der Hand: Noch bevor Olympische Spiele in der Schweiz wieder zum Thema wurden, hatte Swiss Olympic signalisiert, sich für das Jahr 2030 um die Durchführung der European Championships, eines Zusammenschlusses verschiedener Europameisterschaften aus Sommersportarten, bewerben zu wollen.

Ihre Premiere feierten die European Championships 2018 in Berlin und Glasgow, vor einem Jahr war München der Gastgeber. 2026 soll Birmingham Schauplatz der nächsten Austragung sein. Doch nachdem sich die Verbände im Schwimmen und in der Leichtathletik bereits wieder aus dem Verbund gelöst haben, ist die Zukunft der European Championships alles andere als gesichert.

Trotzdem bleiben sie für Swiss Olympic zumindest ein Alternativplan. Doch sie und Olympische Winterspiele im selben Jahr zu veranstalten, ist undenkbar «und würde wohl auch dem eigenen Nachhaltigkeitsanspruch widersprechen», sagt der Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl.

Olympische Spiele sind ein Generationenprojekt, das eines breiten öffentlichen Diskurses bedarf

Nach menschlichem Ermessen wird das Sportparlament den Schweizer Olympia-Plänen am Freitag grünes Licht für den nächsten Schritt geben. Alles andere wäre eine grosse Überraschung. Gleichzeitig dürfte die Sitzung das Startsignal geben für den politischen Diskurs um die Winterspiele. Mit Fragen wie: Ist es wirklich im Sinne der Schweiz, mitten auf dem Höhepunkt der touristischen Wintersaison das Land durch einen landesweiten Sportanlass mehr oder weniger lahmzulegen? Sind die Spiele wirklich derart nachhaltig und kostenneutral, wie das die Initianten glauben machen? Und wie würde die gesamte Bevölkerung von den Spielen profitieren?

Solange diese Fragen nicht schlüssig beantwortet sind, ist es zu früh, sich für das olympische Feuer zu begeistern. Olympische Spiele sind als Projekt zu gross und allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz auch zu kostspielig, um sie einfach nur deshalb zu übernehmen, weil die Gelegenheit gerade günstig ist. Sie sind ein Generationenprojekt, das eines breiten öffentlichen Diskurses bedarf, ehe man sich kopfüber ins Abenteuer stürzt.

 

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