Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
Das Nein zu «Sion 2026» ist kein Entscheid gegen die Walliser Organisatoren. Es spiegelt vielmehr die Skepsis gegenüber der Selbstherrlichkeit interna-tionaler Sportverbände. Die Schweiz braucht keine Plattform zur Selbstdar-stellung.
Die Olympischen Spiele müssten wieder verstärkt den Menschen statt die Markt- und Technologie-orientierung zu ihrem Zentrum machen. Das würde helfen, die verlor-ene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Touristiker Jürg Stettler hinterfragt grossmundige Versprechen der Promotoren von Sion 2026.
Unabhängig von politischen Haltungen ist festzustellen: Trägt die Schweiz das finanzielle Risiko, darf sie sich nicht auf Olympia einlassen.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
28.06.2018
Nach der heutigen Präsentation der Machbarkeitsstudie sagt Klubobmann Manfred Eber: „Wir werden die Studie natürlich noch eingehend studieren, bevor wir ein endgültiges Urteil abgeben können. Tatsächlich wurden aber heute mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.“ (KPÖ Graz)
Eine ganz wesentliche Frage betrifft das Thema Infrastruktur. „Man muss bedenken, zur Infrastruktur zahlt das IOC nichts dazu. Das hat auch Samaranch anlässlich seines Besuches neulich bei der Stadtregierungssitzung betont“, so Eber. Denn während eingangs behauptet wurde, es wäre keine zusätzliche Infrastruktur vonnöten, konnte kein Ort für die Eröffnungs- bzw. Schlusszeremonie der Olympischen Spiele in Graz benannt werden. Man habe im Süden von Graz bereits Grundstücke für eine solche Lokalität ausfindig gemacht, hieß es. Wie das Gebäude auf diesem Gelände aussehen und finanziert werden soll, darauf wurde nicht eingegangen.
Auch zum Thema Verkehr in Graz wurde wenig gesagt, außer, dass es ein entsprechendes Verkehrskonzept brauche. Die Innsbrucker Machbarkeitsstudie hatte das zusätzliche Verkehrsaufkommen mit knapp 16.000 PKW und über 1000 Bussen in der Stadt pro Tag beziffert. „Die Olympischen Spiele finden zur Feinstaubhochsaison statt. Was das für Graz bedeutet, kann man sich kaum vorstellen. Unrealistisch ist anzunehmen, dass wir zu dem Termin bereits mit Wasserstoffautos unterwegs sein werden, wie Markus Pichler behauptet hat“, so Eber. Auch zusätzliche Flugbewegungen würden stattfinden.
Zu den Sicherheitskosten mit 45 Millionen direkt in den Sportstätten und zusätzlich nur 50 Millionen vom Bund sagt Eber: „Das scheint mir nicht realistisch.“ Zum Vergleich: Bei den Sommerspielen in London 2012 war dafür eine Milliarde Euro nötig.
Nicht eingerechnet in diese Machbarkeitsstudie werden auch die unmittelbaren Kosten für die Bevölkerung: Wohnen wird teurer, die Lebenserhaltungskosten steigen. So brachte allein die Ski-WM 2013 in Schladming eine Steigerung der Immobilienpreise um 30 %.
Die KPÖ sammelt deshalb Unterschriften für eine Volksbefragung. “Wir haben bereits mehr als 10.000 Unterschriften beisammen, sammeln aber weiter und werden die Unterschriften noch in den Sommermonaten einreichen“, so Stadträtin Elke Kahr. „Dann liegt es an Bürgermeister Nagl, ob die Bevölkerung vor dem GR-Beschluss zur Bewerbung befragt wird“, sagt Kahr. „Die Grazerinnen und Grazer müssen das Recht bekommen, über eine so weitreichende und folgenschwere Entscheidung für ihre Stadt mitzubestimmen.“
28.06.2018. Heute hat Bürgermeister Nagl die Machbarkeitsstudie für seinen olympischen Traum präsentiert. „Reines Blendwerk“, so die Grazer Grünen. Die Berechnungen seien bei weitem noch nicht vollständig. „Es fehlen Kosten für notwendige Infrastruktur zur Gänze und die mit 50 Millionen Euro veranschlagten Sicherheitskosten sind nach den Erfahrungen der vergangenen Wettbewerbe viel zu niedrig angesetzt“, so Umweltstadträtin Tina Wirnsberger.
Die Grünen berufen sich unter anderem auf das Beispiel Vancouver, das zeigt, dass gerade bei diesen Ausgaben oftmals mit zu niedrigen Annahmen agiert wird. Dort wurden ursprünglich 110 Millionen Euro für die Sicherheit der Spiele veranschlagt, letztendlich belief sich das benötigte Budget auf das Fünffache.
Das Argument des Bürgermeisters, dass die Kosten ohnehin vom Bund übernommen würden, bezeichnen die Grünen als hahnebüchen. „Unabhängig davon, welche Gebietskörperschaft in Österreich das finanzielle Risiko für dieses Megaevent trägt, handelt es sich um Steuergeld, mit dem wir uns einen verantwortungsbewussten Umgang erwarten.“
Fazit der Grazer Grünen: „Noch nie konnte ein Austragungsort einen langfristigen, ökonomisch oder gar ökologisch nachhaltigen Nutzen aus olympischen Spielen ziehen. Dass das jetzt ausgerechnet in Graz zum ersten Mal der Fall sein sollte ist einfach nur ein weiteres Kapitel aus des Bürgermeisters Märchenbuch.“
28.06.2018. Laut einer Studie sollen Winterspiele in Graz "ohne großes Risiko möglich" sein. Für Kritiker wurden wichtige Punkte ausgeklammert. (Der Standard)
VON FRITZ NEUMANN
Auch der Tag zwischen dem deutschen Aus bei der Fußball-WM und dem Formel-1-Wochenende in Spielberg war sozusagen ein sportlicher. Vor allem in der Steiermark, wo eine Machbarkeitsstudie zur möglichen Durchführung Olympischer Winterspiele 2026 in Graz und Schladming präsentiert wurde. In Auftrag gegeben hatte die Studie, so ist es auf der letzten von knapp 120 Seiten ausgeschildert, die "Winterspiele Graz2026 GmbH" mit Sitz im "Rathaus Graz, Hauptplatz 1, 8010 Graz".
Mit der Studie, deren Erstellung drei Monate lang dauerte und 180.000 Euro kostete, waren die Fachhochschule Campus 02, Joanneum Research, die Privatuniversität Schloss Seeburg, die Technische Universität Graz sowie Tourismus-, Event- und Marketing-Experten betraut. Der Auftraggeber fasste das Werk am Donnerstag unter folgendem Titel zusammen: "Graz 2026 ist ohne großes Risiko möglich!"
Die Studie erinnert in etlichen Punkten und auch in ihrem Ergebnis an jene, die in Tirol präsentiert worden war, das sich ebenfalls für 2026 bewerben wollte. Den Plan dazu hatte das befragte Volk mit 53,25 Prozent abgelehnt.
1,137 Milliarden Euro Organisationsbudget
Markus Pichler, Geschäftsführer der "Graz2026 GmbH", weist auf "die Bedeutung" hin, die Winterspiele "für Graz, die Steiermark und Österreich hätten". Realistisch sei ein Organisationsbudget von 1,137 Milliarden Euro, "für das keine öffentlichen Gelder benötigt werden". Keine? In der Zusammenfassung steht auch: "Öffentliche Gelder müssten lediglich für Sicherheitsausgaben (hier zeichnet die Bundesregierung verantwortlich) bzw. für infrastrukturelle Maßnahmen in den Partnerregionen in die Hand genommen werden." Der Olympia-Wertschöpfungseffekt wurde mit 1,67 Milliarden Euro berechnet, an Steuern wären 665 Millionen Euro zu generieren.
Als "Partnerregionen" wären u. a. Schladming und Haus/Ennstal (Ski alpin), Bischofshofen (Skispringen), Hochfilzen (Biathlon), aber auch die deutschen Orte Inzell (Eisschnelllauf) und Königssee (Eiskanal) vorgesehen. Eishockey-Vorrundenspiele sollen laut Studie in Klagenfurt und Wien stattfinden. Für die Eröffnungs- und Schlussfeier wird eine "temporäre Veranstaltungsfläche auf grüner Wiese" empfohlen.
Land will Zahlen prüfen
Das Land Steiermark will, wie es hieß, die Zahlen nun prüfen. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) lobte "eine sehr genau ausgeführte Studie von hervorragenden Institutionen unseres Landes". Die SPÖ fordert Finanzierungs- und Haftungszusagen von Bund und Land. Die Grüne Umweltstadträtin Tina Wirnsberger kritisierte, die Studie klammere Kosten für notwendige Infrastruktur "zur Gänze" aus und setze Sicherheitskosten "viel zu niedrig an". Grüne, KPÖ und Neos erneuerten ihre Forderung nach einer Volksbefragung.
Die Spiele 2026 werden im September 2019 vergeben. Mögliche Kandidaten neben Graz sind Calgary, Cortina/Mailand/Turin, Sapporo, Stockholm und Erzurum.